Hans–Peter Jakobson

Laudatio in der AfA Jena am 25. 05. 2005
Kerstin und Stefan Gnauck - Malerei und Zeichnungen

 
 

Mir sind Künstler äußerst sympathisch, die sich in ihrem Schaffen immer wieder verändern können. Das gilt in besonderem Maße für das Suhler Künstlerehepaar Kerstin und Stefan Gnauck. Wandlung und Gestaltänderung sind quasi Schaffenselexire für ihr künstlerisches Tun.

Damit meine ich nicht, wie ein Chamäleon zu changieren um dem Zeitgeist hinterher zu traben, was der eigenen Identität schadet und genauso langweilig und ermüdend wirkt, wie einmal gefundene Ausdrucksweisen immer zu wiederholen oder bestenfalls bis ins feinste zu ästhetisieren, sondern jenen Drang nach Veränderung, der einem tiefen und inneren Bedürfnis entspringt und sozusagen das Ferment künstlerischer Kreativität und Überzeugungskraft bildet.

Diese bedingungslose Suche nach neuen Herausforderungen der eigenen Schaffenskraft, diese anstrengende, aber unbedingt notwendige innere Unruhe, entdecke ich in ihrem Werk. Ein Verhalten, das unter gegenwärtigen Zeitgenossen und damit auch unter der Künstlerschaft durchaus nicht selbstverständlich ist.

Sukzessive erarbeiten sie sich ein breites und facettenreiches Spektrum an grafischen, zeichnerischen und vor allem malerischen Ausdrucksmöglichkeiten, das, bei aller grundsätzlichen Verschiedenheit, der Glaube an die Integrität und Autonomie der Kunst eint....

Stefan Gnauck hat sein Schaffen dem Gegenstand sowie der Figur verpflichtet und steht somit ganz in der realistischen Tradition seiner Halleschen Schule. Ein Realismus, der allerdings nicht in die modische Figur- und Gegenstandseuphorie heutiger Kunst passt, um öffentlich erfolgreich sein zu können. Zudem hat Gnauck eine ganz eigene Ausdrucksform und bildnerische Sprache gefunden, in der er seine Phantasie - vor allem seinen künstlerischen Spieltrieb ausprobieren und immer wieder neu stimulieren kann, so dass er keiner Schule zuzuordnen ist und damit zwischen vielen Stühlen sitzt oder, um es anders zu sagen, in keines der gängigen Raster passt. Das gibt ihm die Freiheit des Gestaltens, macht es ihm aber andererseits auch wieder schwer, sich zu behaupten.

Die von Stefan Gnauck für die Jenaer Ausstellung ausgewählten Blätter und Tafeln präsentieren seine besondere Freude am Spiel mit Themen, Mitteln und Materialien und zeigen gleichzeitig seine bewusste Bindung an den Gegenstand, als Anker für die eigene Phantasie wie der des Betrachters.

Spiel im künstlerischen Sinn aber ist keine Spielerei! Es ist eine besondere schöpferische, individuelle Art, die Welt zu interpretieren oder sich die Welt durch Erproben oder nahezu zweckfreies Experimentieren mit Techniken und Materialien zu erobern - etwa wie ein Kind durch sein ernsthaftes und intensives Spiel Welt– und Selbsterfahrung erwirbt.

Gnaucks Kunst vermittelt eine unübliche, außergewöhnliche Sicht auf das Leben in allen seinen Erscheinungen, regt dabei die eigenen Vorstellungsfähigkeiten sowie das Nachdenken über das Gesehene im Verhältnis zum Erlebten und schließlich auch dessen Veränderung an. Verändern jedoch kann Kunst selbst die Welt kaum, heute weniger denn je. Auch gegenständliche Malerei ist somit nie nur plattes Abbild der Wirklichkeit, sondern deren individuelle Interpretation.

Dies wird an den hier gezeigten Bildern wie selbstverständlich nachvollziehbar. Den Schwerpunkt der Werke bilden Felsformationen in einer eigenen Zeichentechnik oder als Tafelmalerei. Sie sind die künstlerische Quintessenz aus einem nunmehr fast zehn Jahre zurückliegenden dreimonatigen Studienaufenthalt in der Schweiz. Es ist interessant, welche besonderen geheimnisvollen Wechselspiele zwischen gesammelten Eindrücken und Erlebnissen sowie deren gestalterischen Verarbeitung sich in einer schöpferischen Persönlichkeit vollziehen, welche kreative Langzeitwirkung damit verbunden sein kann, in der in diesem Fall offensichtlich das Ur-Erlebnis der Begegnung mit jener Bergwelt nachklingt.

Dass Stefan Gnaucks steile Felswände, schroffe Felsentürme, tiefe Schluchten und schmale Klammeinschnitte keine Abbildungen konkreter Wirklichkeiten darstellen, ist einleuchtend. Zu ideal sind sie in ihrer Körperhaftigkeit und in den vielgestaltigen hoch differenzierten Strukturen der Binnenzeichnung. Wuchtig und gewaltig, gleichzeitig aber auch verletzlich, ja mitunter sogar morbide, erheben sich die Figurationen vor dem Bildgrund. Die Perspektiven aus verschiedenen Untersichten schafft bei aller Kleinteiligkeit der Strukturen eine beeindruckende Monumentalität mit kontrastreichen Dimensionen zwischen Betrachtern und Motiven. Von den Rändern her verweben sich feinnervigen Linie und Liniengespinste der Feder mit ihrer dominanten Vertikalausrichtung zu Zonen von unterschiedlicher Dichte und entsprechenden Dunkelwerten. Sie assoziieren Verwitterungsstadien und damit wirklichkeitsnahe, plastische Körperhaftigkeit der Felsgebilde.

Hierbei steigert sich der Zeichner in ein intensives Spiel mit den Möglichkeiten der Aquarell- und Tuschfederzeichnung hinein, indem er die Feder über einen mal sehr nassen, mal unterschiedlich angetrockneten Grund führt, um die Zufälligkeiten des Tuschverlaufes zu nutzen und einzubeziehen. Dazu setzt er lavierend mit dem Pinsel mehr oder weniger leuchtende farbige Akzente.

Während in den Feder-Aquarellzeichnungen die obere Zone fast immer frei gelassen oder nur leicht farbig bzw. durch feine Strichlagen zart getönt wird, um die Weite des Himmels zu versinnbildlichen, rückt Gnauck mit den Tafelbildern ganz dicht an die Felswände heran, verbeißt sich geradezu in die malerisch reizvollen Strukturen, indem er die ganze Fläche aus pastos - fleckenhaften Pinselstrukturen organisiert.

Man spürt förmlich, wie ihn der Arbeitsprozess immer stärker in den Bann zieht und fort trägt vom konkreten Gegenstand, bis zu einem Zustand der Anspannung, bei dem die ganze Person praktisch in der Bildgestaltung aufgeht und keinen äußeren Einflüssen mehr zugänglich ist.

Der Künstler führt den Betrachter in den scheinbar so wirklichkeitsstrotzenden Bildern unauffällig auch stets auf eine mehr oder weniger ausgeprägte surreale Ebene. Er überhöht und steigert das von ihm gesehene und tief empfundene der Begegnung mit dem Hochgebirge in eine zeichenhafte Allgemeingültigkeit mit hoher Symbolkraft. Dabei manifestiert sich mit subtilen künstlerischen Mitteln in den Werken die Ehrfurcht des Künstlers vor der gewaltigen Natur und ihrer Jahrmillionen alten Geschichte, die nie so bedroht war wie heute und somit die Ambivalenz menschlicher Schöpferkraft deutlich macht. Titel wie "Wanderung", "Störung", "Sesam", "Abspaltung" oder "Einschnitt" verweisen ebenfalls auf den Anspruch einer überhöhten Aussage, die den Betrachter zu einer eigenen Haltung motivieren und inspirieren soll.

Eine weitere Gruppe korrespondiert in ihrer Aussage mit den vorangegangenen ebenso wie sie sich formal auf die Werke seiner Frau Kerstin zubewegen: Die Tafelbilder mit dem Thema des Labyrinths sind im Grunde eine Form des konsequenten Weiterdenkens der eben geschilderten Bilder, auch wenn dies auf den ersten Blick nicht gleich erkennbar ist.

Stefan Gnauck setzt das spielerische Experimentieren mit den existentiellen Mitteln der Malerei fort und löst sich mit dem heftigen Kontrast von temperamentvollen gestischen Farben- und Formenballungen zu den streng und kühl berechneten geometrischen Gebilden des Labyrinths von aller vordergründigen Gegenständlichkeit. Dadurch wird der Betrachter noch heftiger und rücksichtsloser auf seine eigenen Wahrnehmungs-, Assoziations- und Interpretationsfähigkeiten zurückgeworfen, wobei ihm der Maler allerdings viel individuelle Freiheit lässt. Es ist ihm überlassen ob er die mathematisch konstruierte Figuration als eine über den expressiven Bildgrund gelegte Folie ansieht, oder ob er sie als tief in diesen eingebettet empfindet. In jedem Falle entsteht im Zustand des Schwebens und der Schwerelosigkeit, für den es keine Begrenzung von Raum und Zeit zu geben scheint, eine spannungsreiche Beziehung zwischen kühler Geradlinigkeit und ursprünglicher eruptiver Bewegung - zwischen Bewußtheit und Bewußtlosigkeit.

Es ist wohl ein Ausdruck der inneren tiefen Sehnsucht des Menschen nach der Versöhnung von Irrationalität und Rationalität, von Ordnung und Chaos, die Gnauck hier formuliert. Begriffspaare, in denen wir als Menschen seit Urzeiten eingebettet sind und die letztlich unser Denken in der Suche nach den Koordinaten unseres Seins grundsätzlich bestimmen. Der brodelnde Urgrund gehört zu den frühesten Mythen der Menschheit wie das Labyrinth des Minotaurus, aus dem sich der griechische Held Theseus nur mit Hilfe des Fadens der Ariadne befreien kann, um diese dann schnöde auf der Insel Naxos zurück zu lassen.

Themen aus der Zeit der Geburt der europäischen Kultur, die bis in unser heute voll ethischer und künstlerischer Anziehungskraft sind, hat Gnauck bereits früher aufgegriffen. Hier wird von ihm ein weiteres in Bildern interpretiert, die in ihrer optischen Suggestivkraft durchaus Raum gestaltende und Raum auszeichnende Qualität besitzen und in Gebäuden mit zeitgenössischer Architektur einen entsprechenden Kontext finden.


....Kerstin Gnauck geht seit Jahren, aber noch klarer und konsequenter seit Beginn unseres Jahrtausends, einen künstlerischen Weg, der sie in eine unmittelbare Nähe zur sogenannten „Konkreten Kunst“ bringt, ohne sich ihr angehörig zu fühlen…. Es gehört heute Mut dazu, Bilder in einer so konsequenten Reduktion zu schaffen, wo doch allgemein das Laute, Spektakuläre Konjunktur hat.


Ich bewundere ihren Mut ebenso wie den von Stefan Gnauck. Darüber hinaus fesselt mich bei beiden die emotionale Ausstrahlung der Farben, Formen und Strukturen woraus das Oeuvre beider Künstler für mich bewegende Kraft schöpft.

 

 
 

 

 
 

 

 

 
 

Main-Post
Würzburg, am 25. Januar 200

 
 

Das Würzburger Künstlerhaus zeigt Arbeiten von Stefan Gnauck

Entdeckungstour in der Bergwelt

WUERZBURG (JE) - In vermeintlich Bekanntem Neues auszumachen und den Blick für die Schönheit der Natur zu schärfen, dazu lädt die Ausstellung "Entdeckungen" des Suhler Grafikers und Malers Stefan Gnauck im Würzburger Künstlerhaus ein.

Nach einem Stipendium im Künstlerhaus im vergangenen Jahr zeigt der in Leipzig geborene und seit 1989 in Suhl freischaffend tätige Grafiker rund 50 Arbeiten, die vorwiegend in den beiden letzten Jahren entstanden sind. In ihnen spiegelt sich nicht nur die Ehrfurcht Gnaucks vor der Natur in Form mächtiger Felsen- und Landschaftsgefüge. Ihre Strukturvielfalt hat sein zeichnerisches Talent herausgefordert und ihn akribisch zu Werk geben lassen, um jene sich im Laufe der Jahre immer mehr verdichtenden Eindrücke in immer neuen Kompositionen mit Tusche auf Aquarelluntergrund, in Radierungen und Gemälden festzuhalten.

Arbeitsaufenthalte in Gebirgslandschaften bescherten Gnauck einen großen Fundus an Ausdrucksmöglichkeiten. Titel wie "Annäherungen", "Einschnitte", "Gefangen" oder "Gegenüber" setzen beim Betrachter schnell Assoziationen frei: Die Zeit ist auch an solch imposanten Riesen nicht spurlos vorüber gegangen, Grenzen haben sich verschoben, Distanzen sind plötzlich unüberbrückbar geworden – Bilder, die in ihrer starken Symbolkraft leicht auch auf den zwischenmenschlichen Bereich übertragbar sind.

Beim Durchspüren der Liniengeflechte vermeint der Betrachter aber auch im steten Wechsel von Licht und Schatten, horizontaler und vertikaler Linienführung, in die Strukturen eingewobene Figuren and Objekte zu entdecken, die wiederum die Fantasie beflügeln.

Die Suche nach einem Weg, Farbe nicht nur flächig umzusetzen, sondern ihr auch grafische Elemente einzuverleiben, führte Gnauck fast zwingend zum Bild des Labyrinths. Auf quadratischem, unruhig-buntem Grund fordern streng geometrisch angeordnete Linien, einem Irrgarten vergleichbar, die Konzentration des Betrachters heraus. Nicht nur die Frage, ob das Auge sich seinen Weg ins Innere des Labyrinths bahnen kann, auch, ob es sich dabei von optischen Täuschungen – hervorgerufen durch falsche Perspektiven und einen sehr glatten Farbauftrag – beirren lässt, mag den Suhler Künstler hierbei umgetrieben haben.

 

 
 

 

 
 

 

 

 
 

Freies Wort

Suhl, am 27. Januar 2001

 
 

Suhler Künstler Stefan Gnauck stellt derzeit in Würzburg aus

 
 

Suhl/Würzburg (Tö). Im Künstlerhaus in Würzburg sind seit Mittwoch dieser Woche Arbeiten des Suhler Grafikers und Malers Stefan Gnauck zu sehen.

Der 1956 in Leipzig geborene Künstler ist nach seinem Grafik- und Malereistudium an der Hochschule für Industrielle Formgestaltung Burg Giebichenstein seit 1984 freischaffend tätig und war Mitglied des Verbandes Bildender Künstler der DDR. Seit 1989 arbeitet er in Suhl. Ein Stipendium einer Stiftung in der Schweiz ermöglichte ihm im Jahre 1996 einen dreimonatigen Arbeitsaufenthalt in Liestal bei Basel. Dieser und weitere Arbeitsaufenthalte in Gebirgslandschaften waren für Gnauck der Auslöser für Arbeiten an strukturell betonten Landschaftsgefügen. Sie entstanden in den letzten Jahren. Nach vorwiegend figürlich geprägter Ausbildung und Arbeit fand er in diesen Gesteins- und Felsenlandschaften eine neue Ausdrucksmöglichkeit. Dabei gestaltet er besondere Spannungsfelder, indem er realistische Elemente mit malerischen Strukturen kombiniert und so neue Orte und Wirklichkeiten schafft.

Im Vorjahr hatte Stefan Gnauck nach einer Ausschreibung durch die Stadtverwaltung der Suhler Partnerstadt Würzburg und des Berufsverbandes Bildender Künstler Unterfranken ein Arbeitsstipendium für Druckgrafik erhalten. Drei Wochen lang konnte der Suhler die überaus großzügigen und sehr gut ausgestatteten Werkstätten im Künstlerhaus in Würzburg allein nutzen. In seiner am Mittwoch in der Galerie des Künstlerhauses eröffneten Ausstellung sind nun die während dieses Aufenthalts entstandenen Arbeiten zu sehen. Daneben zeigt er Bilder aus seinem Schaffen der vergangenen fünf Jahre. Zur Ausstellungseröffnung hielt der Suhler Kulturamtsleiter Matthias Rolfs die Laudatio. Anwesend waren neben zahlreichen kunstinteressierten Würzburger Bürgern auch sein Kultur-Amtskollege, Dr. Alexander von Papp, sowie weitere namhafte Vertreter der Stadtverwaltung der Partnerstadt am Main.

Die interessante Ausstellung im Würzburger Künstlerhaus in der Turmgasse 9 ist noch bis zum 15. Februar zu betrachten.

 

 
 

 

 

 
 

www.stefan-gnauck.de